Das historische Spitalarchiv ist eine Quelle für Lokal-, Sozial und Alltagsgeschichte in Riehen.
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Das Historische Spitalarchiv Riehen befindet sich im Geistlich-diakonischen Zentrum der Kommunität Diakonissenhaus Riehen. Es wurde durch die Gemeinde mit Unterstützung der Kommunität Diakonissenhaus gegründet, um dem wertvollen dokumentarischen Erbe des Diakonissen- und Gemeindespitals einen angemessenen Rahmen zu geben. Die Dokumentationsstelle der Gemeinde Riehen verwaltet die Unterlagen und macht sie – unter Berücksichtigung der gesetzlichen Auflagen – der Forschung zugänglich.
Die Unterlagen im Historischen Spitalarchiv Riehen dokumentieren die Geschichte des Riehener Spitals, das zwischen 1852 und 2009 bestand. Sie zeigen, wie umfassend und rasant sich die medizinische und pflegerische Praxis seit dem 19. Jahrhundert gewandelt hat. Gleichzeitig eröffnen sie neue und aussergewöhnliche Perspektiven auf die Lebensumstände der ehemaligen Patientinnen und Patienten. Sie sind deshalb nicht nur für medizin- und pflegehistorische Fragestellungen interessant, sondern bilden darüber hinaus eine einmalige und bisher kaum genutzte Quelle für die Lokal-, Sozial- und Alltagsgeschichte der Region Basel.
Den umfangreichsten Teil der Archivbestände bilden Patientenakten und die zugehörigen Register aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die 1980er-Jahre. Besonders dicht und gut dokumentiert ist die Überlieferung aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Da in den meisten anderen Schweizer Allgemeinspitälern nur noch wenige Patientenakten aus dieser Zeit erhalten geblieben sind, kommt dem Bestand in Riehen eine grosse Bedeutung zu.
Die Unterlagen im Historischen Spitalarchiv Riehen dokumentieren die lange und bewegte Geschichte des Riehener Spitals. Sie ermöglichen darüber hinaus auch neue, aussergewöhnliche Perspektiven auf die Geschichte der Region Basel.
Gegründet im Jahr 1852 als Diakonissenspital, wurde das Riehener Spital über einen Zeitraum von mehr als hundert Jahren vom Diakonissenhaus Riehen getragen. 1973 übernahm die Gemeinde Riehen das Privatspital und wandelte es in ein öffentliches Gemeindespital um, das Ende 2009 geschlossen wurde.
Der Gesamtüberlieferung zur Riehener Spitalgeschichte kommt aus verschiedenen Gründen eine hohe, überregionale Bedeutung zu. Dazu zählen unter anderem
Den umfangreichsten Teil der Bestände des Historischen Spitalarchivs Riehen – rund hundert Laufmeter – bilden Patientenakten und zugehörige Register aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die 1980er-Jahre. Sie lagerten bis zur Spitalschliessung weitgehend unberührt auf dem Dachboden des Spitals. Besonders dicht und gut dokumentiert ist die Überlieferung für die Zeit zwischen 1930 und 1962.
Die Patienten- und Operationsregister ermöglichen eine gezielte Suche nach bestimmten Krankheitsbildern, Berufs- und Altersgruppen sowie Wohnorten der ehemaligen Patientinnen und Patienten. Zusammen mit den Patientenakten eröffnen sie neue und weitgehend unerforschte Perspektiven auf die Spitalgeschichte, aber auch auf die Sozial-, Wirtschafts- und Politikgeschichte der Region Basel.
Weitere Zeugnisse der Geschichte der Institution sowie Fotografien sind im Archiv der Kommunität Diakonissenhaus Riehen einsehbar. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Geschichte der Pflege im 19. und frühen 20. Jahrhundert.
Das Diakonissen-/ Gemeindespital Riehen war nicht nur ein Akutspital, das die medizinische Grundversorgung der lokalen Bevölkerung abdeckte. Es spielte auch eine wichtige Rolle in der Pflegeausbildung und war weit über Riehen hinaus für seine chirurgischen Spezialgebiete bekannt.
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war die Geschichte des Riehener Spitals eng mit der Geschichte des Diakonissenhauses verwoben. Sowohl das Mutterhaus der Diakonissen als auch das angegliederte Spital wurden im Jahr 1852 durch Christian Friedrich Spittler (1782–1867) initiiert. Der Sekretär der Deutschen Christentumsgesellschaft reagierte mit der Gründung auf den Mangel an Krankenschwestern, die den steigenden Anforderungen in den Spitälern gewachsen waren.
In den ersten beiden Jahrzehnten standen zur Erreichung dieses ambitionierten Ziels allerdings nur beschränkte Mittel zur Verfügung: In engen, zum Teil auch feuchten Räumen versorgte die erste Oberschwester Trinette Bindschedler (1825–1879) mit der Unterstützung von Probe- und Pflegeschwestern jährlich bis zu 230 Patientinnen, darunter etliche Typhuskranke. Sie trug viel Verantwortung: Der Arzt, der für die Diagnosen und Therapien sowie für einen Teil des Unterrichts zuständig war, war nicht vollamtlich angestellt, sondern betrieb gleichzeitig ein Praxis in Basel und war deshalb oft nicht anwesend.
Ausweitung des Behandlungsspektrums
Ganz neue Perspektiven eröffneten sich im Jahr 1871, als der Spitalbetrieb in ein neues Gebäude – das heutige Mutterhaus – verlegt und ein ständiger Arzt angestellt wurde. Das Diakonissenspital konnte jetzt mehr Patienten aufnehmen. Ausserdem stand ein eigener Operationssaal zur Verfügung. Auf dieser Grundlage weiteten die Ärzte und Schwestern das Behandlungsspektrum aus. Neben Routinebehandlungen führten sie seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert auch komplexe Operationen durch, insbesondere Eingriffe an den Gallenwegen und an der Schilddrüse. Die Schilddrüsenchirurgie entwickelte sich im 20. Jahrhundert zum bedeutendsten Spezialgebiet des Spitals, das bald auch als «Kropfspital» bezeichnet wurde.
Bereits 1907 wurde der Spitalbetrieb wieder in einen Neubau verlagert. Er umfasste über hundert Betten und wurde – deutlich erweitert – bis zur Schliessung im Jahr 2009 genutzt. Hier konnten die Schwestern systematischer als bisher in die Krankenpflege eingeführt werden. In den folgenden Jahrzehnten florierte das Spital, die Zahl der Patienten und der Operationen nahm – mit Ausnahme eines kriegsbedingten Einbruchs in den frühen 1940er-Jahren – kontinuierlich zu. In den 1930er-Jahren wurde die Innere Medizin zu einer eigenen Abteilung ausgebaut, am Ende des Jahrzehnts weihte man einen Erweiterungsbau an der Schützengasse ein.
Vom Diakonissen- zum Gemeindespital
In den 1960er-Jahren machten steigende Defizite und sinkende Schwesternzahlen der Institution zu schaffen. 1973 übernahm deshalb die Gemeinde Riehen das Spital. Die Verantwortung für den Betrieb lag zunächst beim Kantonsspital Basel. Ab 1997 war die Gemeinde Riehen auch für den Betrieb des Spitals zuständig, das sowohl in der Öffentlichkeit als auch in medizinischen Kreisen auf eine hohe Akzeptanz stiess. Im Zusammenhang mit der Restrukturierung des gesamten schweizerischen Gesundheitswesens und nach längeren Diskussionen wurde das Gemeindespital Riehen Ende 2009 geschlossen. Die umgebauten Räumlichkeiten des ehemaligen Spitals beherbergen heute das Geistlich-diakonische Zentrum der Kommunität Diakonissenhaus Riehen sowie ein durch die Meconex betriebenes Gesundheitszentrum und ein Geriatriespital der Basler Adullam-Stiftung.
Die Patientinnen und Patienten des Riehener Spitals kamen noch lange nicht immer aus Riehen und Bettingen. Der Anteil der Behandelten aus dem südbadischen Raum betrug zuweilen bis zu einem Drittel oder sogar mehr.
Das Diakonissen-/ Gemeindespital war kein grosses Spital, gleichzeitig lag es – zumindest aus Schweizer Perspektive – geografisch an der Peripherie. Vor diesem Hintergrund beeindruckt nicht nur sein Therapie- angebot, sondern auch sein Einzugsgebiet. Längst nicht alle Patientinnen und Patienten stammten aus Riehen und Bettingen. Viele Behandelte kamen aus der Stadt, nicht zuletzt deshalb, weil das Diakonissenspital bis zur Gründung des Claraspitals im Jahr 1928 das einzige Akutspital für Erwachsene auf der rechten Rheinseite war.
Ein nicht unerheblicher Teil der Patientinnen und Patienten reiste zudem aus dem benachbarten Ausland an. Insbesondere im ausgehenden 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war der Anteil an behandelten Südbadenerinnen und Südbadenern hoch. Er überstieg zuweilen ein Drittel der behandelten Personen, war aber stark abhängig von der politischen und ökonomischen Situation: So kamen zum Beispiel in der Zeit des Zweiten Weltkriegs keine Patientinnen und Patienten mehr zur Behandlung über die Grenze. Während im Spitaljahr 1928/29 noch rund ein Drittel der Behandelten aus Südbaden angereist war, wurden Anfang der 1940er-Jahre praktisch keine Patientinnen und Patienten aus dieser Region mehr behandelt. Dagegen sind beispielsweise einige wenige Fälle dokumentiert, die belegen, dass im Riehener Spital auch verletzte Flüchtlinge behandelt wurden.
Heilen heisst auch Schreiben: Im 19. Jahrhundert legten Ärzte und Schwestern des Diakonissenspitals erste Krankengeschichten an. Die Dokumentation der Diagnose- und Therapieprozesse wurden im 20. Jahrhundert immer ausführlicher. Viele dieser jüngeren Krankengeschichten sind erhalten geblieben.
Die Krankengeschichten füllen rund hundert Laufmeter der Regale des Historischen Spitalarchivs. Die Auf- zeichnungen aus den späten 1920er- bis in die 1980er-Jahre sind fast vollständig erhalten geblieben. Aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert existiert dagegen nur noch eine Auswahl an Krankengeschichten. Sie dokumentieren unter anderem die Gallenwegs- und Kropfoperationen, die chirurgischen Spezialgebiete des Riehener Spitals.
Die Unterlagen sind chronologisch geordnet: Knappe Aufzeichnungen zu Bagatellunfällen stehen neben ausführlichen Berichten zu langwierigen Erkrankungen mit tödlichem Ausgang, unzählige Fieberkurven und Laborberichte neben Angaben zu den Lebensumständen der Behandelten. Die zugehörigen Register – dicke, handschriftlich geführte Folianten – sind hier ein unentbehrliches Hilfsmittel, ermöglichen sie doch eine gezielte Suche nach bestimmten Personen, Krankheitsbildern oder Berufszugehörigkeiten. Sie decken – von einer kleinen Lücke abgesehen – einen Zeitraum von rund hundert Jahren ab, der von 1865 bis in die 1960er-Jahre reicht.
Die Krankengeschichten dokumentieren, wie umfassend sich die medizinische Praxis im 19. und 20. Jahrhundert gewandelt hat. Sie zeigen aber auch, dass das Spital keine Insel war, sondern dass seine Entwicklung eng mit den politischen, soziokulturellen und wirtschaftlichen Dynamiken der Region verklammert war: Die Unterlagen enthalten sehr oft Angaben, die über den medizinischen Kontext hinausgehen. Sie eröffnen dadurch Einblicke in die Lebenswelten der Patientinnen und Patienten. So kann man aus den Aufzeichnungen zum Beispiel erfahren, wie sehr die Lebensumstände und Berufe viele Menschen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein physisch forderten und gefährdeten: Wenn die Krankengeschichten Schilderungen von Unfällen von Handwerkern und Bauern enthalten oder wenn sie auf die Erschöpfungszustände von Arbeiterfrauen eingehen, eröffnen sie ungewohnte Einblicke in den Alltag in Riehen und der Region Basel. Sie lassen sich deshalb auch für lokal- und sozialhistorische Fragestellungen fruchtbar machen.